Eva-Maria Reuther

Wunderbar poetische Räume


Trierischer Volksfreund 21.12.2021

Die Trierer Galerie Junge Kunst zeigt bis Mitte Januar Farbholzschnitte von Inessa Emmer. Für die Herstellung ihrer Bilder nutzt die Künstlerin alte und ungewöhnliche Techniken.

TRIER. Mit einer ausgesprochen sehenswerten Ausstellung, die jede Menge Denkanstöße gibt, beschließt der Trierer Kunstverein Junge Kunst sein Ausstellungsjahr. Farbholzschnitte auf Nessel der Düsseldorfer Künstlerin Inessa Emmer stehen im Zentrum der Bilderschau in der Galerie in der Karl-Marx-Straße.

Der Holzschnitt gehört zu den ältesten druckgrafischen Techniken. Eine neue Hoch-Zeit erfuhr er im Expressionismus. Technisches Können und künstlerische Inspiration verbinden sich großartig in den Farbholzschnitter der großen japanischen Meister. Gleich auf den ersten Blick wird auch in Trier klar, dass den großformatigen Arbeiten der 1986 in Kasachstan geborenen Künstlerin ein gehöriges Maß an technischem Know-how zugrunde liegt. Allerdings ist auch unübersehbar, dass die Absolventin der Düsseldorfer Kunstakademie und der Technischen Universität Dortmund Unwägbarkeiten und Zufälle im Arbeitsprozess und bei der Bildfindung bewusst zulässt.

Im Klartext: Inessa Emmer arbeitet nach eigener Aussage bei ihren teilweise vielteiligen Bildern mit so genannten verlorenen Platten. Das bedeutet, das eine Druckplatte nach jedem Druck neu earbeitet und mit Farbe bestrichen wird, so dass kein Druck dem anderen gleicht und sich die Bedingungen und Möglichkeiten der Platte, von der gedruckt wird, ständig verändern. Der textile Bildträger erhöht den malerischen Eindruck. Zudem nutzt die Künstlerin keine Druckpresse, sondern ihr eigenes Körpergewicht, das beim Druck nie die Gleichmäßigkeit und Kalkulierbarkeit einer mechanischen Presse erreicht. Soweit die fabelhafte Technik.

Und doch: Ist schon das technische Können, das tadellos ausgeführte Handwerk die ganze Kunst? Die Frage stellt sich nicht nur angesichts der komplizierten technischen Fertigung von Emmers Farb­holzschnitten sondern auch beim Lesen von Katalogtexten, die sich weithin auf die Technik der Künstlerin konzentrieren. Das ist interessant, aber es wäre für den Betrachter wie die Künstlerin fatal, bei dem Missverständnis zu verharren, dass schon das „Wie“ die ganze Kunst ist.

Dem „Wie“ muss das „Was“ folgen, die Idee die Augenschein wird und beim Betrachter eigene innere Bilder und Reflexionen in Gang setzt. Auch da hat Emmer Eindrucksvolles zu bieten. In ihren durchaus auf fernöstliche Arbeiten verweisenden Farbholzschnitten öffnen sich wunderbar poetische Bildräume, in deren fantastische Welt es sich lohnt, einzutauchen. Es sind Landschaften aus Blüten. Pflanzen und Zweigen, in denen Rosetten als Stempel herumirren oder in denen Muster auftauchen, die an orientalische Kacheln erinnern.

Allerdings sind die Landschaften der Künstlerin keine sich selbst genügenden Naturräume. In den biomorphen Formen tauchen immer wieder die Zeugnisse menschlicher Kultur auf, mal verstörend als eine Art Rakete. Ein anderes Mal als dynamisches geometrisches Muster, das die Vorstellung des Betrachters wie das Bild in Bewegung setzt. Was sich hier darstellt, ist der alte Gegensatz zwischen Mensch und Natur.

Emmer versöhnt beide auf sanfte, augenzwinkernde Art. Dass für die Künstlerin die Verstörung ein wichtiges Mittel der Bewusstseinbildung ist, die sie ohne erhobenen Zeigefinger betreibt, zeigen auch ihre witzigen Bildtitel wie etwa „Duschhaube im Schwimmbad“.