Interview Martin Leyer-Pritzkow und Inessa Emmer, 2021

Wie kamst Du auf die Idee unikate Holzschnitte mit selbst ausgeschnittenen, ausgesägten Stempeln zu machen? Malen geht doch viel schneller und einfacher oder?

Ob es schneller oder einfacher geht kann ich nicht beurteilen. Der Holzschnitt hat mich von Anfang an begeistert. Seit ich zum ersten Mal die riesigen Holzschnitte von Gert und Uwe Tobias gesehen habe bin ich hin und weg. Ich habe mich direkt an meinen ersten, für mich damals auch schon großformatigen Holzschnitt in DIN-A1 gesetzt. Erst nur in schwarz/weiß bis ziemlich schnell weitere Farben dazu kamen. Handwerkliches Arbeiten mit Holz hat mich grundsätzlich schon interessiert, da bot mir der Holzschnitt die Möglichkeit das schneiden und sägen mit dem Malerischen Aufbau eines Bildes zu verbinden.


Wenn ich mir Deine phantastischen figürlichen Motive anschaue, fällt mir der berühmte italienische maniristische Maler des 16. Jahrhunderts Guiseppe Arcimboldo ein. Er hat seine Portraits aus Früchten oder Gemüsen gemalt. Erst im zweiten Augenblick erkannte der Betrachter die optische Täuschung. Siehst Du da einen Bezug?

Stimmt, wenn du das so fragst erkennt man tatsächlich Ähnlichkeiten, allerdings haben meine Blumenmischwesen keinen Bezug zu Arcimboldos Arbeiten. Diese entstanden eher aus einer Weiterentwicklung meiner Mischwesen aus Mensch und Tier.

Grundsätzlich reise ich sehr gerne und lasse mich mich von Flora und Faune inspirieren. Die Eindrücke verarbeite ich dann in meinen Bildern. Ich möchte auch eher eine Symbiose zwischen Mensch und Natur darstellen als mit „optischen Täuschungen“ zu spielen.



Du machst ja wirklich auch großformatige Holzschnitte, 3 x 3 Meter und mehr sind für Dich nichts ungewöhnliches. Bisher war Holzschnitt eher auf Papier und in Maße bis maximal 100 cm x 100 cm üblich und in größerer Auflage. Ist Größe, also XXL heute ein Kriterium in der zeitgenössischen Kunst und das Unikat, selbst bei einem Druckmedium wie Holzschnitt?

Nein, XXL ist kein Kriterium, jeder arbeitet in dem Format, in dem er sich wohl fühlt ob auf Papier oder Nesselstoff. Allerdings merke ich, dass in der heutigen Kunstwelt die Tendenz eher in Richtung Unikate oder kleine Auflagen geht. Bei mir sind es zu meist Unikate, weil ich meine Druckstöcke aufwendig zusammensetze und verschiedene Druckverfahren, wie z.B. den verlorenen Schnitt anwende. Zudem arbeite ich nicht mit einer Druckerpresse sondern mit meinem Körpergewicht, und somit ist es nicht möglich jede Farbschicht gleich darzustellen. In der Druckgraphik geht es heutzutage nicht mehr allein um Vervielfältigung und steht in Aufwendigkeit und Farbvielfalt der Malerei in nichts nach.



Deine Titel sind oft sehr humoristisch angelegt: „Mumpitz, Heck Meck oder Außer Spesen nichts gewesen“. Was sollen diese Titel beim Betrachter bewirken oder ist es eher eine Persiflage auf die Kunstgeschichte?

Der Betrachter soll durch die Titelwahl zuerst etwas verwirrt und dann angeregt werden nach einer Erklärung zu suchen das Bild neu zu betrachten um dann vielleicht doch noch den „Mumpitz“ zu entdecken. Ich möchte nicht dem Betrachter von Anfang an diktieren was er zu sehen hat. Die Titel haben meistens nichts mit dem Inhalt zu tun und so sieht, fühlt, interpretiert und erklärt jeder das Bild anders.